Der Weg zum Unternehmer
„Wer ein Unternehmen nur gründet, um es anschließend wieder zu verkaufen ist Geld geil und damit ein schlechter Mensch und schon gar kein Unternehmer“ so ein weitverbreiterer Tenor. Aber stimmt das wirklich?
Der Aufbau eines Unternehmens erfolgt in Etappen. Die erste Etappe beginnt mit der Evaluierung der Idee. In der zweiten Etappe wird die Idee in ein Geschäftsmodell überführt und die ersten Kunden gewonnen. Die dritte Etappe beginnt, wenn das Geschäftsmodell, nachdem es auf Herz und Niere geprüft wurde, in Systeme überführt wird. Jedes einzelne System wird hierbei in einem Betriebshandbuch dokumentiert. Im Anschluss beginnt die vierte Etappe, in welcher das Geschäftsmodell skaliert wird. Es werden mehr Mitarbeiter benötigt, mehr Räume, mehr Lagerfläche, mehr Rechnerkapazität etc. Im Zuge der Skalierung werden neu Hierarchieebenen aufgebaut, um die Systeme steuern zu können.
Betrachtet man jede Etappe für sich, so wird für jede einzelne Etappe spezielle Kenntnisse für deren Umsetzung benötigt. Nicht alle Menschen bringen diese mit, wollen sich damit auseinandersetzen oder diese erlernen. Es gibt folglich Menschen, die nur daran interessiert sind, eine Idee in ein Geschäftsmodell überführen zu können. Andere wiederum steigen aus, sobald das Geschäftsmodell skaliert wird und andere wiederum steigen erst ein, wenn das Geschäftsmodell funktioniert.
Ein Unternehmer muss seine Grenzen kennen. Er muss wissen, wann es Zeit ist, den Stab an einen Nachfolger weiterzugeben. Ob er in diesem Zuge das Unternehmen verkauft oder weiterhin Inhaber ist, spielt dabei, aus meiner Sicht, keine Rolle. Denn die Priorität sollte nicht auf dem Unternehmer, sondern auf dem von ihm gegründeten Unternehmen liegen. Oder anders formuliert, die Lebensfähigkeit des Unternehmens steht im Vordergrund. Wenn es hierfür einen Wechsel erfordert und der Unternehmer diesen rechtzeitig erkennt, dann ist dies im Sinne des Unternehmens und damit letztlich auch der Gesellschaft.
Folglich ist ein Verkauf eines Unternehmens nichts Schlechtes und wenn der Unternehmer dabei etwas verdient auch nicht, da er für sein Risiko, seine Leistung und seinen Beitrag zur Gesellschaft in entlohnt wird.
Wir sollten bei einer solchen Diskussion auch nicht vergessen, dass wir das Unternehmertum nicht als etwas Besonderes, sondern als einen möglichen Karrierepfad, und damit Beruf, ansehen. Erst wenn wir das tun, wird uns bewusst, dass wir aktuell viel zu, um es etwas direkter zu formulieren, naiv mit dem Thema umgegangen sind. Was meine ich damit? Wir stellen an jeden Beruf eine gewisse Anforderung hinsichtlich der theoretischen und praktischen Kenntnisse. Keiner würde auf die Idee kommen, zu einem Arzt gehen, der gestern sich dazu entschlossen hat eine Praxis zu eröffnen, obwohl er keinerlei Ahnung von der Materie hat. Wir setzen als Gesellschaft voraus, dass ein praktizierender Arzt mindestens 5 Jahre studiert, ein praktisches Jahr absolviert und nach erfolgreichem Staatsexamen eventuell noch eine Facharztausbildung für weiter 5-6 Jahre belegt hat.
Wenn es aber um das Thema gründen und damit Unternehmer geht, dann lassen wir diese unvorbereitet auf die Reise los und riskieren damit unnötigen Frust und Schaden. Nicht das ich für eine Verschulung von zukünftigen Unternehmern wäre, aber eine gewisse Grundkenntnis in entsprechenden Bereichen wäre durch aus an der einen oder anderen Stelle angebracht. Dabei meine ich nicht Rechnungswesen oder Marketing, sondern wie präsentiere ich mein Unternehmen, mein Produkt, wie spreche ich Kunden an, wie systematisiere ich mein Unternehmen. Ziel sollte eine Art Lernumgebung sein, in welcher der zukünftige Unternehmer ein Blick in die verschiedensten Etappen eines Unternehmens erhalten kann. Je häufiger er an und in diesen beteiligt ist, desto mehr verfestigt sich das Erlernte.
From Good to Great to Built to Last
Es fehlt, aus meiner Sicht das Verständnis für (zukünftige) Unternehmer in einem entsprechendem Umfeld (externer Link), mehrere Unternehmen zu gründen. Dies wird deutlich, wenn wir einen Blick auf die Daten der Gründerzentren in Deutschland werfen. Insgesamt gab es im Jahr 2018 350 Inkubatoren, in welchen 12.060 Unternehmen eingemietet waren. Im Jahr 2015 wurden 4.880 Unternehmen neu gegründet. Setzt man diese Zahl an Neugründungen ins Verhältnis mit allen Neugründungen, welche in Vollzeit so entsprechen diese nur 1,7 %. Bezogen auf sämtliche Neugründungen nur 0,6 %. Ein möglicher Grund für diese geringe Zahl an Unternehmen in solchen Zentren könnte an dem Anspruch dieser Zentren liegen, sich nur auf innovative und vielversprechende Geschäftsideen zu fixieren. Dieser Anspruch ist zwar nachvollziehbar, aber entspricht nicht meiner Vorstellung davon, dass wir den zukünftigen Unternehmern eine entsprechende Ausbildung mitgeben sollten. Als einen weiteren Grund wäre der Stichprobenverzerrung (Selection bias) zu nennen. Hierbei beziehe ich mich auf die durch die Zentren ausgewählten Unternehmen selbst, welche ins jeweilige Zentrum aufgenommen werden. Das heißt, die bisherige Auswahl an Unternehmen und deren Erfolg oder Misserfolg beeinflusst die Auswahl weiterer Firmen.
Es geht meiner Meinung nach nicht darum, das nächste Facebook, Google oder Amazon aufzubauen, sondern mit jedem gegründeten Unternehmen ein besseres Verständnis für den Prozess Unternehmertum zu gewinnen. An dessen Ende ein nächstes Facebook, Google oder Amazon stehen kann. Peter Diamandis sprach in diesem Zusammenhang über die „Line of Credibility“ und „Line of Super-Credibility“ (siehe Abbildung 1). Das Vertrauen in eine Person, die zum ersten Mal ein Unternehmen gegründet hat, ist gering.

Abbildung 1 Line of Credibility und Line of Super-Credibility
Kaum einem wird Gehör geschenkt, wenn er als Ziel für sein erstes Unternehmen ein Raumfahrtunternehmen, welches eigene Raketen baut, ausrufen würde. Dies war auch bei Elon Musk nicht der Fall. Musk hat sich im Laufe der Jahre seine Glaubwürdigkeit durch den Aufbau mehrerer Unternehmen erarbeitet. Angefangen mit Zip2 (1995), über X.com (1999) bis hin zu SpaceX (2002), Tesla (2004) usw. Jedes Unternehmen war eine Nummer größer als das vorherige. Dies mag für die heutige Generation (fast) selbstverständlich sein, aber wirft man einen Blick auf die Statistik, so gründen die meisten ihr erstes Unternehmen nicht in einem solchen Umfeld.
Und selbst wenn Unternehmen in einem solchen Umfeld gegründet werden würde, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass die Überlebenschance verbessert wird. Diese wird zwar von den Gründerzentren mit über 98 % angegeben, allerdings laut einer Studie[1] aus dem Jahr 2010 konnte kein Zusammenhang zwischen Förderung und nicht Förderung festgestellt werden. Auch wenn diese Studie sich nur auf eine kleine Auswahl an Gründerzentren bezog und viele Aspekte ausklammert, so wirft sie dennoch weitere Fragen auf, welche Rückschlüsse über die Ursachen geben können. Konkret drängen sich mir hier zwei Fragen auf:
- Welches dringende Problem lösen die Zentren nicht, welches die Überlebenschance jedoch deutlich erhöhen würde, sollte es gelöst werden?
- Was machen die erfolgreicheren Zentren anders, als die weniger erfolgreicheren?

Abbildung 2 Überlebenswahrscheinlichkeit TGZ-geförderter Unternehmen und nicht geförderter Unternehmen
Wir benötigen demzufolge ein Umfeld, in welchem jeder, der möchte, egal ob mit innovativer Geschäftsidee oder nicht, diese testen kann. Auf diesem Weg verfeinert der Unternehmer sein Können. Jedes neugegründete Unternehmen, an dessen Ende eventuell ein Verkauf stehen darf, hilft ihm dabei noch bessere Unternehmen aufzubauen. Er gelangt, um es mit den Worten von Jim Collins zu sagen „From Good to Great.“ Er setzt damit die Voraussetzung, um die Langlebigkeit seines Unternehmens zu erhöhen[2].
Die Konzepte Built to Exit und Built to Last sind demzufolge, aus meiner Sicht, kein Widerspruch, sondern bedingen einander. Nur wer bereit ist, als Unternehmer sämtliche Unternehmensphasen zu durchlaufen, wird am Ende ein Unternehmen aufbauen, was von Dauer ist.
Sind Sie für Built to Last oder Built to Exit? Schreiben Sie es mir unten in die Kommentare. Ich bin gespannt auf Ihre Gründe.
[1] Erhöhen Gründerzentren die Überlebenschance?
[2] Jim Collins (2001) From Good to Great