Viele richten ihren Fokus insbesondere zu Beginn des Unternehmertums darauf immer noch mehr neue Kunden zu akquirieren. Denn so die Logik, mehr neue Kunden bedeutet, hoffentlich mehr Gewinn und folglich mehr Wachstum. Man könnte den Eindruck gewinnen „Wachstum um jeden Preis ist die Devise„. Und Wachstum so schnell wie möglich. Je schneller der Markt durchdrungen werden kann, desto besser. So richtig diese Devise ist, so einseitig ist sie. Wer allerdings ohne vorher die Voraussetzung(en) dafür zu schaffen wächst , riskiert am Ende sein Unternehmen. Damit dies nicht passiert, möchte ich mit Ihnen heute über sieben Bereiche reden, mit denen Sie die Voraussetzungen schaffen, um wachsen zu können.
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Fußball. Eine Fußballmannschaft, besteht aus verschiedenen Spielern mit unterschiedlichen Aufgaben, welche grob in drei Funktionen aufgeteilt werden können – Angriff, Verteidigung und Unterstützung. Eine Fußballmannschaft A, welche sich nur auf den Angriff konzentriert und ihre Verteidigung vernachlässig, riskiert unweigerlich ein Gegentor. Eine Mannschaft B, die sich nur auf Verteidigung konzentriert, wird jedoch gegen eine Mannschaft A, welche sich nur den Angriff konzentriert 1) kaum verlieren und 2) eventuell sogar gewinnen. Wie ist das möglich? Verteidigung! Denn, je besser Ihre Verteidigung ist, desto länger sind Sie im Spiel. Im Sport wie im Unternehmertum gilt die Regel „Es gewinnt derjenige oder diejenige, welche/r am längstem im Spiel bleibt“. Es geht um Lebensfähigkeit, das heißt, im Spiel bleiben. Was müssen Sie als Unternehmer oder Unternehmerin tun, um morgen noch am Markt bestehen zu können? Diese Frage möchte ich anhand der folgenden sieben Bereiche nachgehen.
- Verträge, Versicherungen, Patente, Compliance, Gesetze
- Entwicklung
- Eigenkapital
- Redundanzen
- Dokumentation
- Lernen
- Kundenservice
Verteidigungsstrategie 1 = Verträge, Versicherungen, Patente, Compliance, Gesetze
Die Grundlage allen Handelns im Geschäftsleben sind vielfältige Verträge. Wie diese ausgestaltet sind, kann einen entscheidenden Einfluss auf ein Unternehmen haben. Neben dem klassischen Kaufvertrag spielen auch Versicherungsverträge und Patente eine wichtige Rolle im Schutz Ihres Unternehmens.
- Sind Ihre Standardisiert oder individuell gestaltet? AGB-Falle!
- Besitzen Sie die richtigen Versicherungen?
- Sind Ihre Versicherungen ausreichend ausgelegt?
- Ist Ihr Wissen patentiert?
- Für was gilt der Patentschutz?
- Für welche Länder gilt der Patentschutz?
- Wie lange ist der Patentschutz?
Ergänzend zu diesen Punkten, sollten Sie sich um die Einhaltung der Regeln zur guten Unternehmensführung beschäftigen und sich daher unter anderem mit den folgenden Fragen auseinandersetzen.
- Wie gut ist Ihr Compliancekultur[1]?
- Befolgen Sie den Richtlinien der DCGK[2][3]?
- Kennen Sie, die für Sie relevanten Gesetze und Gesetzesänderungen?
- Entsprechen Ihre Produkte/Dienstleistungen den neuesten Gesetzen und Richtlinien?
Verteidigungsstrategie 2 = Entwicklung
Eine weitere Verteidigungsstrategie ist die Weiterentwicklung der bestehenden Produkte oder Dienstleistungen bzw. die Entwicklung neuer Angebote. Im Zentrum steht die Frage, wie Sie einen größeren Mehrwert für Ihre Kunden schaffen können. Die folgenden Fragen dienen herfür als Ausgangspunkt.
- Entwickeln Sie Ihre Produkte/Dienstleistungen weiter?
- Oder ruhen Sie sich auf Ihren Patenten aus?
- Wie viel Ihres Umsatzes fließt in die Entwicklung?
Laut einer Studie der ZEW investieren die Hidden Champions 2,5 % ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung, während dieser Wert für alle anderen Unternehmen bei 1,4 % liegt (s. Abbildung 1).

Abbildung 1 Kennzahlen der Hidden Champions[4]
- Wie viele Mitarbeiter arbeiten bei Ihnen in der Entwicklung?
- Wie viele neue Ideen kreieren Sie pro Monat?
- Wie lange dauert die Umsetzung einer Idee in ein Produkt/eine Dienstleistung?
- Wann wissen Sie, dass Ihr Produkt/ihre Dienstleistung marktreif ist[5]?
Um die marktreife Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung besser abschätzen zu können, lohnt es sich auf das Technology Readiness Level Meter der NASA zu werfen. Die NASA hatte im Zuge Ihrer Weltraumaktivitäten ein System entwickelt, um festzustellen, ob die von ihr entwickelten Raketen startklar waren. Jede Rakete durchlief bis zu ihrem Start insgesamt 9 Punkte, welche ihrerseits Anforderungen an jede Komponente der Rakete stellten (s. Abbildung 2).

Abbildung 2 NASA – Technology Readiness Level[6]
Wie sieht der Prozess von der Idee bis zur Marktreife in Ihrem Unternehmen aus?
Verteidigungsstrategie 3 = Eigenkapital
Cash is King! Und dieser Ausspruch trifft nicht nur auf den Cashflow, sondern auch auf Ihr Eigenkapital zu. Wenn es um die Verteidigung Ihres Unternehmens geht, spielt die Höhe des Eigenkapitals eine wichtige Rolle. Stellen Sie sich daher die folgenden Fragen.
- Wie hoch ist Ihr Eigenkapital?
- Wie hoch ist Ihr Fremdkapital?
- In was haben Sie Ihr Fremdkapital investiert?
- Wie sind die Konditionen für Ihr Fremdkapital?
- Decken sich die Konditionen für Ihr Fremdkapital mit Ihrem Investment[7]?
- Das heißt, kennen Sie die goldene Regel der Finanzierung?
- Wie gut ist Ihr Rating bei den Banken?
- Wissen Sie, was Sie tun müssen, um dieses Rating zu verbessern?
- Was tun Sie, um dieses Rating zu verbessern?
- Wie ist Ihr Eigenkapital investiert?
- Wie kurz- oder langfristig ist Ihr Eigenkapital investiert?
- Wie hoch ist Ihre Barreserve?
- Wie hoch sind Ihre Forderungen aus Leistungen?
- Wie lang ist Ihr Zahlungsziel und das Ihrer Kunden?
Verteidigungsstrategie 4 = Redundanzen[8]
Redundanz kommt von redundantia (lateinisch) und bedeutet übersetzt „Überfülle“[9]. Firmen neigen ab einem bestimmten Punkt, insbesondere in Krisenzeiten oder bei Firmenübernahmen dazu Redundanzen zu streichen. Man spricht dann oft von Synergieeffekten. Redundanz im technischen Sinne bedeutet das zusätzliche Vorhandensein funktional gleicher oder vergleichbarer Ressourcen in einem technischen System. Dabei wird zwischen vier Redundanzarten unterschieden.
- Heiße Redundanz = Im Gesamtsystem führen mehrere Teilsysteme dieselbe Funktion parallel aus.
- Kalte Redundanz = Im Gesamtsystem sind mehrere Teilsysteme vorhanden, aber nur eine arbeitet.
- Standby-Redundanz = Zusätzliche Ressourcen sind vorhanden, werden aber erst bei Störung oder Ausfall aktiviert.
- N+1-Redundanz = Im Gesamtsystem sind mehrere Teilsysteme vorhanden und aktiv, wobei eine zusätzliche Standby-Redundanz vorhanden ist.
Redundanzen in der Technik dienen der Erhöhung der Sicherheit. So transportieren üblicherweise drei bis zehn parallel laufende Seile eine Aufzugskabine. Wobei die Seile so dimensioniert sind, dass der Bruch eines oder mehrerer Seile nicht zum Bruch des gesamten Seil-Sets führt[10]. Die Seile sind mit 12-facher Sicherheit bei mindestens drei Seilen ausgelegt. Niemand würde auf die Idee kommen aus Kostengründen ein Seil einsparen zu wollen. Und doch tun wir das im übertragenen Sinne immer wieder in unseren Unternehmen. Die Fragen, die Sie sich stellen sollten, sind daher
- Welche Redundanzen gibt es in Ihrem Unternehmen? Und wo?
- Was sind die kritischen Prozesse?
- Gibt es für diese kritischen Prozesse Redundanzen?
Das heißt, um Ihr Unternehmen lebensfähiger zu machen, benötigen Sie an der richtigen Stelle Redundanzen. Die richtigen Stellen finden Sie, wenn Sie sich bei jedem Prozess die Frage stellen, ob ein Ausfall dieses Ihr Unternehmen in Schwierigkeiten bringen kann und wenn ja wie schnell.
Die bisher beschriebenen Redundanzarten beziehen sich auf die technische Seite, die dahinterliegende Ideen können aber auch auf Abteilungen wie beispielsweise Kundenservice, Vertrieb oder Management übertragen werden.
- Gibt es Vertretungsregeln in Ihrem Unternehmen?
- Wie starr/flexibel sind diese?
- Wer kann wen zumindest teilweise/vorübergehend ersetzen?
- Wie wird der Urlaub in Ihrem Unternehmen geregelt? Auftrags/Nachfrage orientiert?
Neben den Redundanzen sollten Sie sich auch Gedanken über die Fehlerdiagnose machen. Das heißt, woran erkennen Sie in Ihrem Unternehmen, das alles in Ordnung ist? Was ist bzw. sind Ihre Messgröße/n?
- Wie können Fehler detektiert werden?
- Wie können Fehler isoliert werden?
- Wie können Fehler identifiziert werden?
- Führen Sie regelmäßig eine Schwachstellenanalyse[11] durch?
Verteidigungsstrategie 5 = Dokumentation
„Wissen ist Macht“, sagte Francis Bacon[12]. Je mehr Wissen Sie und Ihr Unternehmen anhäufen, desto besser können Sie sich auf Situationen einstellen. Beim Anhäufen von Wissen ist es jedoch wichtig, ob dieses in strukturierter Art und Weise erfolgt. Stellen Sie sich daher die folgenden Fragen.
- Gibt es ein Betriebshandbuch in Ihrem Unternehmen?
- Sind alle Prozesse Schritt für Schritt darin dokumentiert?
- Überprüfen Sie in regelmäßigen Abständen die Aktualität Ihrer Dokumentation?
- Wie können Änderungen vorgenommen werden? Wie sieht der Prozess dafür aus?
Die Abbildung 3 zeigt ein stark vereinfachtes Beispiel eines Geschäftsprozesses einer Bäckerei. Jeder dieser Blöcke kann seinerseits weiter unterteilt werden.

Abbildung 3 Prozessfluss – Beispiel Bäckerei[13]
So könnte der Block „Brötchen verkaufen“ beispielsweise unterteilt werden in
- Brötchen in die Auslage legen
- Auslage beschriften
- Tüten für die Brötchen bereitlegen
- Gewünschte Art und Anzahl an Brötchen aus der Auslage entnehmen
- Entnommene Brötchen in eine Tüte packen
- Brötchen zur Kasse bringen
Wo Sie die Grenze zwischen zwei Prozessschritten ziehen hat einen entscheidenden Einfluss über den Ablauf in Ihrem Unternehmen. So kann der Schritt „Brötchen in die Auslage legen“ noch zum Block „Brötchen backen“ gehören oder wie hier zum Block „Brötchen verkaufen“. Diese Unterscheidung und insbesondere die Dokumentation in Form eines Betriebshandbuchs werde ich in einem anderen Artikel näher beschreiben.
Verteidigungsstrategie 6 = Lernen
Neben der Redundanz und der Dokumentation ist die Lernfähigkeit des Unternehmens ein wichtiger Baustein in dessen Verteidigung. Denn nicht Wissen ist Macht, sondern nur das angewendete Wissen ist Macht. Jedes Unternehmen lernt. Die Frage ist, wie schnell ein Unternehmen lernt und ob das was es lernt, relevant für das Unternehmen ist. Hinzukommt, ob das, was gelernt wurde, auch umgesetzt werden kann. In seinem Buch The Living Company (Affiliate-Link) beschreibt Arie de Geus den Prozess des Lernens innerhalb eines Unternehmens und dessen Evolution sehr anschaulich. Sollten Sie das Buch noch nicht gelesen haben, kann ich es Ihnen uneingeschränkt empfehlen.
Im Zusammenhang mit Lernen spielt auch Ihre Einstellung zu Ihren Mitarbeitern eine wichtige Rolle. Solange Sie diese nur als Ressource (Human Resource Department – HR) betrachten, werden Sie in einer Krisensituation unter Umständen zuerst Mitarbeiter entlassen. Dabei nehmen Sie aber in kauf, dass Sie auch Wissen gewissermaßen wegwerfen. Dabei widerspricht die Betrachtung von Mitarbeitern als reine Ressource meinem Verständnis von Unternehmertum. Ich werde in einem anderen Artikel näher auf diesen Aspekt eingehen.
Fragen, welche das Lernen betreffend sind unter anderem.
- Informieren Sie Ihre Mitarbeiter über Prozessänderungen? Wie sieht der Prozess dafür aus?
- Schulen Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig in den einzelnen Prozessen?
- Wie sieht Ihr Einarbeitungsprozess aus?
- Wie sieht Ihr Weiterbildungsprozess aus?
- Wie viel Ihres Umsatzes investieren Sie in Ihre Mitarbeiter?
- Wie viel Freiraum (Zeit, Geld) lassen Sie Ihren Mitarbeitern, um neue Ideen auszuprobieren oder neues zu erlernen?
- Woher bekommen Sie Ihren Input für neue Ideen?
- Wer sind die Wissensträger in Ihrem Unternehmen?
Verteidigungsstrategie 7 = Kundenservice
Ein weiterer Baustein in Ihrer Verteidigung ist Ihr Kundenservice. Wie sieht Ihr Prozess aus, nach dem der Kunde bei Ihnen gekauft hat?
- Kenne Sie die Top 20 Fragen Ihrer potenziellen Kunden, Kunden und Stammkunden?
- Gibt es in Ihrem Unternehmen eine FAQ-Liste?
- Kennen Ihre Mitarbeiter im Kundenservice diese Top 20 Fragen und die FAQ-Liste?
- Wie oft erkundigen Sie sich bei Ihren Kunden nach Ihrer Zufriedenheit?
- Wie oft bedanken Sie sich bei Ihrem Kunden per Telefon für Ihren Einkauf?
- Kennen Sie den Unterschied zwischen Kundenservice und Kundenerlebnis?
- Wissen Sie, warum Ihre Kunden bei Ihnen einkaufen oder Ihre Dienstleistung beziehen?
- Wissen Sie es wirklich oder meinen Sie es nur?
Verteidigung = Lebensfähigkeit = Unternehmensübergabe
Anhand von sieben Bereichen habe ich Ihnen versucht aufzuzeigen, wie Sie Ihr Unternehmen besser schützen können. Der Schutz Ihres Unternehmens ist ein zentraler Bestandteil der Übergabestrategie. Nur wenn Sie sicherstellen, dass die Risiken in Ihrem und für Ihr Unternehmen reduziert werden, erhöhen Sie die Chance auf eine erfolgreiche Übergabe.
Auf welchen Baustein soll ich in einem der nächsten Artikel näher eingehen? Schreiben Sie es mir unten in die Kommentare.
[3] Wikipedia | Corporate Governance
[4] Fraunhofer ISI | Hidden Champions
[5] Wikipedia | Technology Readiness Level
[6] Quelle: Von NASA/Airspace Systems (AS) – http://as.nasa.gov/aboutus/trl-introduction.html in der Wayback Machine (archiviert am 6. Dezember 2005), Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=65946549
[7] Wikipedia | Finanzierungsregeln
[10] Wikipedia | Aufzugsanlage
[11] Wikipedia | Schwachstellenanalyse
[12] Wikipedia | Wissen ist Macht
[13] Quelle: Von Stkl – Redrawn in SVG, original PNG Bpmn-1.png by de:User:Gubaer, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42376013
2 Gedanken zu “7 Bereiche, in die Sie mehr investieren sollten, um Ihr Unternehmen besser zu schützen”
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