Innovation ist in aller Munde. Und viele folgen dem Mantra
„Wer nicht disruptiv ist, ist nicht innovativ.“
Dabei bedeutet Innovation wörtlich übersetzt lediglich „Neuerung“ oder „Erneuerung“[1]. Das Neue ersetzt das Alte. Ein gewissermaßen natürlicher Vorgang.
In meinem heutigen Artikel möchte ich mit Ihnen über die folgenden Punkte reden.
- Lineares Denken vs exponentielles Denken
- Grad der Neuheit
- Arten von Innovation
- Innovation und Gesellschaft
- Das lernende Unternehmen
Beginnen möchte ich unser Gespräch mit einer kleinen Analogie.
Home Run vs. To the next Base
Wenn Sie mit Baseball etwas vertraut sind, dann wissen Sie, dass jeder Batter (Schlagmann) einen Home Run versucht. Er versucht, einen Schlag auszuführen, der es ihm erlaubt, alle vier Bases abzulaufen und mit Erreichen der Home Plate einen Run zu erzielen[2]. Die Quote einen Home Run zu schlagen liegt im Durchschnitt allerdings „nur“ bei 2,01 Home Runs pro Spiel. Der beste Spieler Babe Ruth erzielte 60 Home Runs in 154 Saisonspielen. Das sind 2,54 Home Runs pro Spiel. Denken Sie immer noch, dass ein Home Run eine Mannschaft zum Sieg verhilft? Kurzfristig mag es spielentscheidend sein, aber auf die lange Sicht, wohl eher nicht.
Und doch möchte (fast) jeder Unternehmer oder jede Unternehmerin das nächste Facebook oder Google erschaffen. Dies entspricht in meiner Analogie einem Home Run. Aber keiner möchte auf die nächste Base gelangen. Dabei entscheidet oft nicht der Home Run, so schön er auch sein mag, sondern die Anzahl an Runs die ein Team macht, über dessen Erfolg oder Niederlage.
Anstatt auf einen Home Run zu setzen, sollten Sie es mit der 1%-Regel versuchen. Noch nie davon gehört? Kein Problem. Die 1 %-Regel in Kurzform. Glauben Sie, dass Sie jeden Tag 1 % besser werden können? Und am nächsten Tag? Und danach? Wenn Sie das glauben, wissen Sie auch, um wie viel Sie am Ende eines Jahres besser geworden sind? Sie sind um 37x besser geworden! Wie viele Anlageformen kennen Sie, die Ihnen einen solchen Return on Investment (ROI) pro Jahr bringen? Ich vermute mal nicht viele.
Wenn Sie beispielsweise aktuell einen Umsatz von 1.000.000 € pro Jahr machen. Bedeutet eine Verbesserung des Umsatzes um den Faktor 37 pro Jahr, dass Sie 37 Millionen € pro Jahr Umsatz machen. Und dass nur, weil Sie sich jeden Tag 1 % verbessert haben. Das Beste daran ist, dass Sie im Gegensatz zum Home Run keine gigantischen Summen an Fremdkapital dafür benötigen. Die 1 % Verbesserung können Sie aus eigener Kraft aufwenden.
Woran liegt es, dass wir versuchen einen Home Run zuschlagen und die nächstgelegene Base Links, das nächste Umsatzlevel, liegenlassen?
Lineares Denken vs exponentielles Denken
Einer der Gründe hierfür liegt in unserem Denken. In den Anfängen der Menschheit geschah alles lokal und in langen Zeitabständen. Die Entwicklung des menschlichen Gehirns und dessen Funktion passte sich diesen Umständen an. In der heutigen Zeit geschehen viele Dinge parallel von lokal bis global und vor allem in immer kürzeren Zeitabständen. Hierfür ist unser Gehirn aber nicht ausgelegt. Stellen wir eine einfache Überlegung an. Wie weit kommen Sie, wenn Sie 30 lineare Schritte machen? Richtig, 30 Meter. Sie machen einfach einen Schritt nach dem anderen. Nach 30 Schritten sind Sie 30 Meter weit gekommen. Und wie weit kommen Sie, wenn Sie 30 exponentielle Schritte machen?
1 Milliarde Meter
Das entspricht 2.600-mal der Entfernung zwischen Erde und Mond[3] (s. Abbildung 1). Oder 24.953-mal um die Erde[4].

Abbildung 1 Entfernung zwischen Erde und Mond[5]
30 exponentielle Schritte bedeutet, dass Sie Ihre Schrittweite nach jedem Schritt verdoppeln. Das heißt: 1, 2, 4, 8, 16 usw. Grafisch sieht das wie folgt aus (s. Abbildung 2).

Abbildung 2 Lineares Wachstum vs Exponentielles Wachstum[6]
Übertragen bedeutet diese, dass wir die Wirkung kleiner konstanter Veränderungen nicht einschätzen können und daher versuchen große Sprünge zu machen.
Ausgehend von diesen Überlegungen möchte ich unsere Unterhaltung auf einen weiteren Aspekt lenken. Die Unterscheidung im Grad der Neuheit.
Grad der Neuheit
Der Grad der Neuheit gibt die Veränderung einer Sache im Vergleich zur vorherigen Version wieder. Dabei wird zwischen inkrementeller und disruptiver Innovation unterschieden. Als Beispiel für eine inkrementelle Innovation können wir zum Beispiel die Modellpflege eines Automobilherstellers heranziehen (s. Abbildung 3). Ein Facelift eines Modells oder ein stärkerer Motor mag am Anfang noch interessant sein. Nach dem vierten oder fünften Mal ist die Luft raus.

Abbildung 3 Facelifting am 5er BMW[7]
Als Beispiel für eine disruptive Innovation können wir das iPhone zurückgreifen (s. Abbildung 4). Das iPhone revolutionierte mit seiner Einführung durch Steve Job im Jahr 2007 die Art und Weise, wie wir mit einander kommunizierten. Das Smartphone ist heute unser ständiger Begleiter. Wenn wir es nicht bei uns haben, dann fühlt es für uns so an, wie wenn etwas fehlen würde.


Abbildung 4 Handys pre-iPhone Ära (Oben) und seit Einführung des iPhones (Unten)[8]
Am Beispiel der Smartphones können wir aber ebenfalls sehr schön erkennen, wie aus einer zunächst disruptiven Innovation eines Produktes über die Jahre eine inkrementelle Innovation desselben entwickelte. Seit seiner Einführung im Jahr 2007 gab es für das iPhone regelmäßige Verbesserungen im Bereich der Kameras, Speicher und Prozessoren. Sowie eine Anpassung der Größe. Aber ab einem gewissen Punkt benötigt man keine bessere Kamera oder schnelleres Smartphone. Die fühlbaren Unterschiede zum Vorgängermodell werden immer kleiner.
Wenn wir zu unserer Baseballanalogie zurückkommen, dann handelt es sich bei einer disruptiven Innovation um einen Home Run. Apple hatte mit iTunes, iPhone und iPad drei Home Runs in Folge und stieg von einem strauchelnden Unternehmen zum Marktführer und für kurze Zeit zum wertvollsten Unternehmen auf und erreichte am 02.08.2018 einen Börsenwert von über 1 Billion Dollar (Link zum Artikel) [9].
Aber wie viele Home Runs kann ein Unternehmen auf Dauer schlagen?
Arten von Innovation
Um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, sollten wir unser Gespräch auf das Thema Innovationsarten lenken und über die nachstehenden Innovationsarten im Detail reden.
- Produktinnovation
- Serviceinnovation
- Prozessinnovation
- Geschäftsmodellinnovation
- Organisationsinnovation
Produktinnovation
Unter einer Produktinnovation versteht man die Entwicklung eines neuen Produktes, welches am Markt absolut oder relativ neu ist[10]. Das oben genannte iPhone fällt demnach in diese Kategorie. Aber wie findet Innovation in dieser Kategorie statt? In den Jahren 1954-1956 haben drei russische Wissenschaftler eine Sichtung von Patenten vorgenommen und 40 allgemeingültige innovative Prinzipien daraus abgeleitet. Herauskam die TRIZ-Methode. TRIZ steht für Teoria reschenija isobretatjelskich sadatsch und bedeutet übersetzt in etwa “Theorie des erfinderischen Problemlösens[11]“. Diese Prinzipien (s. Abbildung 5) wurden in einer Widerspruchstabelle vereinigt.

Abbildung 5 Triz Innovative Prinzipien[12]
Das heißt, eine innovative Erfindung fußt auf der Kombination von (lediglich) zwei oder mehrerer solcher Prinzipien. Welche Prinzipien könnten Sie mit einander kombinieren, um Ihr Produkt einem Innovationsschub zu geben?
Diffusion of Innovation
Wenn wir uns über Innovation im Allgemeinen und Produktinnovation im Speziellen unterhalten, dann kommen wir an der Diskussion zur Akzeptanz von Innovation nicht vorbei. An dieser Stelle möchte ich auf die von Everett Rogers in seinem 1962 erschienen Buch Diffusion of Innovations (Affiliate-Link), gleichnamige Theorie verweisen. Nach dessen Theorie gibt es eine Normalverteilung innerhalb der Bevölkerung hinsichtlich der Risikoneigung (s. Abbildung 6). Diese Theorie unterscheidet zwei wesentlich verschiedene Gruppen. Auf der einen Seite die Erschaffer (Creators)und auf der anderen Seite die Sammler (Collectors)und Zuschauer (Spectators). Zwischen beiden befindet sich ein Graben (The Chasm). Die Herausforderung aufseiten der Erschaffer ist es nun, ihre Neuerungen für Sammlern und Zuschauern attraktiv zu machen. Dies gelingt ihnen nur, wenn Sie mithilfe der Gruppe der Early Adopters genügend „Beweise“ für das Funktionieren der Neuerung erbracht haben. Aber nicht nur diese Beweise spielen eine Rolle für die Akzeptanz einer Innovation, sondern auch die Preissensitivität der einzelnen Gruppen. Während die Gruppe der Early Adopters (Untergruppe der Erschaffer) viel Geld in die Hand nimmt, um der oder die erste zu sein. Ist die Gruppe der Sammler deutlich preisbewusster und kauft eher bei Schnäppchenangeboten.

Abbildung 6 Accelerating Diffusion of Innovation: Maloney’s 16% Rule[13]
Serviceinnovation
Unter einer Serviceinnovation versteht man Innovationen aufgrund von Technologien, Prozessen oder Geschäftsmodellen, welche eine Neuerung in diesem Bereich ermöglichen. Mittels Serviceinnovationen wird versucht die eigene Positionierung gegenüber den Mitwettbewerbern zu verbessern.
Prozessinnovation
Unter einer Prozessinnovation versteht man eine Verbesserung und Optimierung von Bestehendem[14]. In meinem Artikel Die 3 Hauptkomponenten Ihres Lösungsversprechens hatte ich bereits einen kleinen Einblick in die Welt der Prozess gegeben. Der in diesem Artikel Prozess bestand aus drei Prozessschritten und ist in Abbildung 7 wiedergegeben.

Abbildung 7 Prozess – Beispiel Bäckerei[15]
Eine detaillierte Prozessbeschreibung für den ersten Prozessschritt können Sie der Abbildung 8 entnehmen.

Abbildung 8 Prozessbeschreibung – Brötchen backen
Eine Prozessinnovation könnte in diesem Beispiel an vielen Stellen ansetzen. Hintergrund für eine solche Innovation ist immer ein Ziel. Das heißt, ein Prozess wird nur dann verändert, wenn das Prozessergebnis nicht dem entspricht, was erwartet wurde. Prozessergebnisse könnten beispielsweise eine kürzere Prozesszeit oder ein geringerer Energieverbrauch beim Backen sein. In Versuchsreihen werden dann die neuen Prozessparameter ermittelt.
Um überhaupt eine sinnvolle Prozessinnovation vornehmen zu können, sollte das Unternehmen einen gewissen Reifegrad erreicht haben.
Reifegrad eines Unternehmens
Dieser Reifegrad, gibt Auskunft darüber, inwiefern Standards innerhalb des Unternehmens zur Anwendung kommen. Dabei bedeuten Standards nichts anderes, als eine vergleichsweise einheitliche oder vereinheitliche und weithin anerkannte und meist angewandte Art und Weise, etwas herzustellen oder durchzuführen[16]. In Abbildung 9 sind insgesamt fünf Reifegradstufen dargestellt. Auf der ersten Stufe existieren im Unternehmen keinerlei Standards. Dies bedeutet, dass dem Unternehmen zwar die Eingänge, Ausgänge und die Vorgehensweisen bekannt sind. Aber andererseits das Vorgehen nicht geplant, und die Qualität nicht vorhersehbar ist. Je höher der Reifegrad, umso zuverlässiger werden die Ergebnisse und die Planbarkeit innerhalb des Unternehmens. Ab der fünften Stufe ist alles Routine. Prozesse werden kontinuierlich verbessert. Kosten können gesenkt werden.

Abbildung 9 Reifegrad eines Unternehmens[17]
Eine weitere Art der Innovation ist die Organisationsinnovation.
Organisationsinnovation
Mit dieser Art der Innovation wird versucht, die Abläufe und vor allem die Kommunikation innerhalb des Unternehmens zu verbessern. Hintergrund hierfür sind die mit dem Wachstum verbundenen Herausforderungen innerhalb des Unternehmens. Greiner untersuchte diese und veranschaulichte sie in dem als Greiner-Kurve bekanntem Schaubild (s. Abbildung 10).

Abbildung 10 Modell der Unternehmensentwicklung nach Greiner[18],[19]
Der Wandel vom Einliniensystem über die Matrix-Organisation und hin zu Profitcenter usw. ist Ausdruck dieser Unternehmenskrisen. Ein neuerer Ansatz aus dem Jahr 2007 ist Holacracy. Bei dieser Organisationsform wird die Auflösung der klassischen Hierarchie durch klare Rollendefinitionen angestrebt. Es wird damit zwischen der Rolle und der Person, die diese Rolle einnimmt, unterschieden. Eine Person kann dabei mehrere Rollen einnehmen. Ein beispielhafter Aufbau einer Holacracy ist in Abbildung 11 dargestellt. Ich hatte mich in der Vergangenheit etwas mit diesem Organisationsprinzip auseinandergesetzt. Bin aber noch nicht zu einer endgültigen Entscheidung hinsichtlich dessen Effektivität gekommen.

Abbildung 11 HolacracyOne[20]
Geschäftsmodellinnovation
Eine Innovationsart hat seit der Dotcom-Krise eine Art Siegeszug erlebt. Die Rede ist von der Geschäftsmodellinnovation. In ihrem Buch Geschäftsmodelle entwickeln (Affiliate-Link), folgten die Autoren Oliver Gassmann und Karolin Frankenberger dem Ansatz von TRIZ. Sie untersuchten erfolgreiche Unternehmen und die dahinterliegenden Geschäftsmodelle. Insgesamt konnte das Autorenteam 55 Geschäftsmodellmuster identifizieren. Zu diesen gehören unter anderem Add-on (Ryanair) oder Shop-in-Shop (Tchibo). In Ihrem Buch beschreiben die Autoren nicht nur jedes Geschäftsmodell einzeln, sondern schlüsseln jedes nach dessen Wirkung im Gesamtkonzept auf. Eine wie ich finde, sehr interessante Darstellung erhält der Leser in Form einer faltbaren Karte, in welcher sämtliche Unternehmen und dessen Geschäftsmodell aufgeführt sind (s. Abbildung 12). Das eigentlich Spannende sind dabei jedoch die Verbindungen zwischen den einzelnen Geschäftsmodellen.

Abbildung 12 Geschäftsmodellmuster (Auszug)[21]
Einen anderen Ansatz verfolgten Alexander Osterwalder und Yves Pigneur mit ihrem Buch Business Model Generation (Affiliate-Link). Zu Beginn schlüsselten sie sämtliche Geschäftsmodelle auf und geben damit einen Einblick in deren Funktion. Die Autoren identifizierten insgesamt 9 Bausteine, welche für ein erfolgreiches Geschäftsmodell benötigt werden (s. Abbildung 13).

Abbildung 13 Business Model Canvas[22]
Anhand mehrerer Beispiele zeigen Sie dabei sehr anschaulich, die Funktion des jeweiligen Geschäftsmodells und die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Bausteinen. Das Buch wird durch die Verknüpfung zum Geschäftsplan oder zur Blue Ocean Strategie abgerundet.
Ich denke gerade die Kombination aus beiden Ansätzen gibt einem jeden Unternehmer und Unternehmerin ein hervorragendes Werkzeug an die Hand, um neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können.
Patente: Sind sie die Lösung oder das Problem?
Bevor wir uns über das letzte Thema Das lernende Unternehmen unterhalten, möchte ich noch kurz auf den Punkt Patente eingehen. Mir ist der Sinn und Zweck von Patenten bewusst und ich kenne deren Wirkung aus meiner früheren Tätigkeit, aber ich denke, eine Wirkung von Patenten wird oft Außeracht gelassen. Ich spreche hier von der Illusion eines perfekten Schutzes. Für mich stellt ein Patent lediglich ein Weg zur Lösung eines Problems dar. Ob dies der Beste im Sinne von am wirtschaftlichsten ist, ist nicht zwingend gegeben. Und selbst wenn er dies ist, kann durch die technologische Weiterentwicklung dieser Weg und damit das Patent unbrauchbar machen. Worauf will ich hinaus? Meine Erfahrung mit Patenten ist, dass sie zwar einerseits einen Schutz bieten, aber andererseits auch Innovation verhindern. Und zwar Innovation von dem Unternehmen was das Patent angemeldet hat. Es wiegt sich wie bereits erwähnt in einer Illusion. Um diese aufrechtzuerhalten, werden Unsummen an Gelder aufgewendet, um weitere Patente zu kaufen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Nicht umsonst sind die Nachrichten und Gerichte voll von Patentstreitigkeiten zwischen Großkonzernen. Bestes Gegenbeispiel ist Tesla. Tesla hatte im Jahr 2014 seine Patente veröffentlicht (Link zum Artikel). Sicherlich hat Tesla von seinen Patenten bis 2014 profitiert. Aber Tesla war sich des von mir angesprochenen Risikos von Patenten bewusst. Und darum geht es mir an dieser Stelle. Halten Sie sich daher den nachfolgenden Spruch immer wieder vor Augen.
Prozesse, Geschäftsmodelle und Produkte können kopiert werden, aber eine Unternehmenskultur nicht! Die Unternehmenskultur ist Ihr bester Schutz!
Das lernende Unternehmen
Und damit kommen wir zum letzten Teil unseres Gesprächs und der Frage kann ein Unternehmen lernen oder nur Menschen? Dieser Frage ging Arie de Geus in seinem Buch The Living Company (Affiliate-Link) auf den Grund. Anhand seines Arbeitgebers der Royal Dutch Shell Group beantwortet de Geus sehr detailliert und schlüssig diese Frage. Die Antwort ist ja, ein Unternehmen kann lernen. Das heißt, jedes Unternehmen ist ein lernendes Unternehmen. Nach meinem bisherigen Verständnis ergeben sich jedoch deutliche Unterschiede in der Art und Weise sowie in der Geschwindigkeit des Lernens. Diese Unterschiede ergeben sich meiner Meinung nach aus der Struktur und Unternehmenskultur des Unternehmens. Und damit schließt sich wieder der Kreis. Wir sind wieder beim Reifegrad eines Unternehmens angelangt. Die Art und Weise wie Prozesse in einem Unternehmen aufgesetzt sind, bestimmen 1) die Kommunikation zwischen den einzelnen Mitarbeitern und damit wie Informationen untereinander ausgetauscht werden und 2) wie experimentierfreudig ein Unternehmen ist, das heißt, wie mit neuen Ideen umgegangen wird. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, werden neue Ansätze wie die Lean-Methode oder Scrum entwickelt. Ziel ist ein agiles Unternehmen. Denn letztlich gilt
Der Angepassteste gewinnt und nicht der Stärkste.
Wie können Sie mit Ihrem Unternehmen effektiver lernen?
Sie benötigen erstens eine hervorragende Dokumentation sämtlicher Prozessschritte im Unternehmen. Tragen Sie alle für jeden Prozessschritt benötigte Informationen, Ressourcen, das benötigte Personal mit dafür benötigt Qualifikationen zusammen. Legen Sie zudem Verantwortlichkeiten sowie Entscheidungs- und Kommunikationswege fest. Halten Sie darüber hinaus die Erwartungswerte für Ihre Ausgaben und Einnahmen fest.
Ausgehend von dieser Dokumentation können Sie gezielt Prozesse optimieren, indem Sie Tests machen. Definieren Sie dazu einen neuen Erwartungswert und überlegen Sie sich, auf welche Art und Weises dieser erreicht werden könnte. So könnten Sie beispielsweise festlegen, dass Ihr Umsatz zukünftig um 1 % pro Tag höher sein sollte, als bisher. Um diesen neuen Erwartungswert erreichen zu können, stehen Ihnen mehrere Lösungen zur Verfügung. So könnten Sie beispielsweise die Art oder die Farbe der Kleidung Ihrer Mitarbeiter, welche Kundenkontakt haben ändern. Sie könnten eine andere Begrüßungsformel testen. Statt „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ oder noch schlimmer „Kann ich Ihnen helfen?“ vielleicht „Sind Sie neu hier?“ Wenn als Antwort Ja kommt, dann könnten Sie mit „Herzlich Willkommen, lassen Sie mich Ihnen unser Angebot für Neukunden zeigen“ antworten lassen. Wenn als Antwort Nein kommt, lassen Sie mit „Schön, dass Sie uns wieder beehren. Lassen Sie mich Ihnen unser neuestes Angebot für Stammkunden zeigen“. Eine weitere Alternative wäre dann noch die Art und Weise, wie Sie Ihre Angebote präsentieren. Eine Variation von Schrift, Farbe, Bilder oder Lage kann einen Einfluss auf Ihren Umsatz haben. Gerade dieser Ansatz, im Online Business als A/B-Test bezeichnet, kann auch in der Offline Welt angewendet werden.
Testen Sie Ihre Änderungen über einen genügen langen Zeitraum (z. B. 2 Wochen) bzw. achten Sie darauf, dass Sie genügend Kundenkontakt haben (z. B. mindestens 100 Kunden). Vergleichen Sie anschließend zwischen den neuen Ergebnissen und Ihren bisherigen Ergebnissen. Bewerten Sie sowohl die absoluten Zahlen als auch die relativen Zahlen sowie die Ausreiser und stellen etwaige Korrelationen her. Sollten Sie mit dem neuen Ergebnis zufrieden sein, empfiehlt es sich den Test zu wiederholen bzw. auf einen größeren Kundenkreis auszudehnen. Nach erfolgreicher Bestätigung steht der Übernahme des neuen Prozesses nichts im Wege. Bedenken Sie bei all Ihren Tests immer
Innovation erfolgt nicht um des Innovierens Willen, sondern weil das eigene Lösungsversprechen und damit das Kundenerlebnis verbessert werden soll.
Abschließend möchte ich unsere Diskussion mit einem vorerst letzten Gedanken.
Das Grundbedürfnis der Zielgruppe
Oft scheitern Unternehmen, weil eine neue Technologie eine bisherige Technologie ablöst (Innovation) und der Wandel nicht rechtzeitig erkannt oder ignoriert wurde. Auf die Gründe hierfür werde ich mit Ihnen in einem anderen besprechen.
Ein bekannteres Beispiel für einen Technologiewandel sind Kutschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Mit der Erfindung des Automobils wurde deren Ende als Haupttransportmittel eingeläutet (s. Abbildung 14).

Abbildung 14 Anzahl Pferde zu Autos in den USA ab 1900[23]
Worauf ich mit diesem letzten Gedanken hinaus will ist
Die Technologie ändert sich, das Grundbedürfnis bleibt!
Unseren heutigen Dialog möchte ich mit ein paar Fragen an Sie beenden.
- Was ist das Grundbedürfnis der Zielgruppe?
- Welche technologischen und gesellschaftlichen Trends gibt es?
- Wie lösen Sie dieses Grundbedürfnis?
Fazit
In dem heutigen Artikel habe ich mit Ihnen über die Punkte
- Lineares Denken vs exponentielles Denken
- Grad der Neuheit
- Arten von Innovation
- Innovation und Gesellschaft
- Das lernende Unternehmen
gesprochen. Ich habe Ihnen anhand einer Analogie zwischen Baseball und disruptiver Innovation versucht aufzuzeigen, dass die Chancen auf einen Home Run (das nächste Facebook) gering sind und es sinnvoller wäre, auf Base zu spielen (von 1.000.000 € Umsatz auf 10.000.000 €). Wir hatten uns anschließend über den Unterschied zwischen linearem und exponentiellem Denken unterhalten und festgestellt, dass wir als Menschen nur sehr schlecht mit exponentiellen Dimensionen zurechtkommen. Unser Gespräch lenkten wir dann auf das Thema Grad der Neuheit und vor allem auf die unterschiedlichen Innovationsarten. Anhand einiger Beispiele habe ich Ihnen die jeweiligen Innovationsarten erläutert, um im Anschluss über die Herausforderung von Innovation im Hinblick auf die Gesellschaft zu sprechen. In diesem Zusammenhang hatten wir uns über die beiden Gruppen der Erschaffer auf der einen Seite und der Sammler und Zuschauer auf der anderen Seite unterhalten. Beide Gruppen, so die Erkenntnis unterscheiden sich in Ihrem Denken und (Kauf)Verhalten. Die Kenntnisse über die jeweiligen Unterschiede ermöglicht es Ihnen und mir, unsere Lösungsversprechen entsprechend anzupassen. Den letzten Hauptpunkt unseres Gesprächs war das lernende Unternehmen und wie Sie als Unternehmer oder Unternehmerin Lernen in Ihrem Unternehmen verankern können. Ein kleiner Diskurs über Patente und über die Grundbedürfnisse rundeten unsere heutige Unterhaltung ab.
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Welchen Reifegrad hat Ihr Unternehmen. Schreiben Sie es mir unten in die Kommentare. Gerne können Sie mir auch hierzu eine E-Mail zukommen lassen.
[3] Entfernung zwischen Erde zu Mond: 384.400 km
[4] Umfang der Erde: 40.075 km
[8] Links: Sony Ericsson W900 (Beliebtestes Handy 2006 laut dem Magazin Chip); Rechts: Erstes iPhone aus dem Jahr 2007 – Quelle: Von Carl Berkeley from Riverside California – iPhone First Generation 8GBUploaded by Partyzan_XXI, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41718431
[9] Eine Billion wird im Englischen mit Trillion übersetzt.
[10] Wikipedia | Produktinnovation
[12] Triz Innovative Prinzipien
[13] Acceleration Diffusion of Innovation
[15] Quelle: Von Stkl – Redrawn in SVG, original PNG Bpmn-1.png by de:User:Gubaer, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=42376013
[17] Eigene Darstellung
[22] Quelle: By Business Model Alchemist – http://www.businessmodelalchemist.com/tools, CC BY-SA 1.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11892574
4 Gedanken zu “Innovation: Der Angepassteste gewinnt, nicht der Stärkste”
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