Wie erhöhen Sie Ihren Cashflow? In kürze, reduzieren Sie Ihre Vorräte, verlängern Sie Ihre Zahlungsziele (Verbindlichkeiten) und fordern Sie früher die Bezahlung Ihrer Rechnungen ein (Forderungen).
Laut nachstehender Grafik (s. Abbildung 1) beträgt die durchschnittliche Lagerdauer von kleinen und mittleren Unternehmen bei 93 Tagen. Im Gegensatz dazu bei Großkonzernen nur 64 Tage. Noch gravierender ist der Unterschied, wenn es zur Zahlung und Bezahlung von Rechnungen kommt. Während bei kleinen und mittleren Unternehmen die Forderung im Durchschnitt erst nach 58 Tagen bezahlt wird, erfolgt dies bei Großkonzernen bereits nach 46 Tagen. Dagegen zahlen Großkonzerne erst nach 60 Tagen ihre Verbindlichkeiten. Kleine und mittlere Unternehmen früher, nämlich nach 49 Tagen.
Diese Unterschiede machen deutlich, warum Großkonzerne liquider sind, als kleine und mittlere Unternehmen.
- Sie haben weniger Vorräte: – 29 Tage
- Sie erhalten ihr Geld schneller (kürzere Zahlungsziele): + 11 Tage
- Die bezahlen ihre Rechnungen später (längere Verbindlichkeiten): – 14 Tage
- Cash-to-Cash-Zyklus = – 52 Tage
Sie sind damit um einen Faktor 2 liquider!

Abbildung 1 Working-Capital-Performance nach Unternehmensgrößen[1]
Sollten Sie jetzt der Ansicht sein, dass dies kein Wunder ist, denn die Großkonzerne haben auch die erforderlichen Ressourcen dafür, dann muss ich Sie enttäuschen. Sie benötigen nicht erst die finanzielle und personelle Ausstattung eines Großkonzerns, um mehr Liquidität in Ihrem Unternehmen freizusetzen. Was Sie benötigen, ist lediglich ein Crashkurs in Buchhaltung. Halt! Bevor Sie jetzt aufhören zu lesen, vergessen Sie alles, was Sie über Buchhaltung gehört und gelesen haben. Ich werde keinen einzigen Buchungssatz besprechen. Versprochen! Ich möchte Ihnen stattdessen, die Logik hinter den wichtigsten Positionen einer Bilanz mit an die Hand geben. Darüber hinaus stelle ich Ihnen einfache Werkzeuge, mit denen Sie diese Positionen analysieren können, vor. Sind Sie dabei? Wunderbar, dann los!
Mehr Liquidität im operativen Bereich
Um mehr Liquidität im operativen Bereich freizusetzen, werden wir uns mit den folgenden drei Positionen einer Bilanz (s. Abbildung 2) beschäftigen:
- Vorräte
- Forderungen aus Lieferungen & Leistungen
- Verbindlichkeiten aus Lieferungen & Leistungen
Wenn Sie eine Bilanz betrachten, dann finden Sie die ersten beiden Punkte auf der Aktivseite (Aktiva) und den dritten Punkt auf der Passivseite (Passiva). Kurz zur Erinnerung. Auf der Passivseite ist die Herkunft der finanziellen Mittel vermerkt. Auf der Aktivseite die Mittelverwendung.

Abbildung 2 vereinfachte Bilanz
Um unser Eingangsbeispiel vollständig nachvollziehen zu können, benötigen wir nur noch ein paar weitere Definitionen. Und zwar
Bestandsreichweite (Vorräte) = Days Inventory On-Hand (DIO)

Formel 1 Berechnung der Bestandsreichweite (DIO)
Verbindlichkeitenreichweite (Zahlungsziele) = Days Payables Outstanding ( DPO)

Formel 2 Berechnung der Verbindlichkeitenreichweite (DPO)
Forderungsreichweite = Days Sales Outstanding (DSO)

Formel 3 Berechnung der Forderungsreichweite (DSO)
Wenn wir jetzt noch alle drei Formeln mit einander verbinden, dann erhalten wir den Geschäftszyklus (s. Abbildung 4).

Abbildung 3 Geschäftszyklus (C2C)[2]
Dieser wird wie folgt berechnet:

Formel 4 Berechnung des Geschäftszyklus (C2C)
Das C2C steht dabei für Cash-to-Cash und bedeutet nichts anderes, als die Zeitdauer zwischen der Geldmittelbindung und Geldmittelfreisetzung. Jetzt können wir direkt die Zahlen aus dem Beispiel (s. Abbildung 1) nachrechnen.
Beispiel: kleine und mittlere Unternehmen (Daten s. Abbildung 3)

Damit verstehen wir, dass beispielsweise durch das Reduzieren der Vorräte, der Geschäftszyklus kürzer wird. Ein Idealzustand wäre, wenn Ihre Kunden bereits bezahlen würde, bevor für Sie überhaupt Kosten anfallen. In diesem Fall wäre Ihr Geschäftszyklus sogar negativ.
Ein anderer Indikator für Liquidität eines Unternehmens ist die Kapitalumschlagshäufigkeit. Das heißt, wie schnell oder langsam das eingesetzte Kapital gebunden und wieder freigesetzt wird.
Kapitalumschlagshäufigkeit

Formel 5 Berechnung der Kapitalumschlagshäufigkeit
Berechnung der Kapitalumschlagshäufigkeit am Beispiel kleiner u. mittlerer Unternehmen:

Je höher die Kapitalumschlagshäufigkeit, desto liquider ist ein Unternehmen.
Nach dieser kurzen und hoffentlich nicht allzu theoretischen Einführung möchte ich jetzt mit Ihnen über Maßnahmen sprechen, mit denen Sie mehr Liquidität auf Ihrem Unternehmen holen können.
Maßnahmen für mehr Liquidität
Wir orientieren uns dabei in diesem Artikel wieder an den drei Positionen
- Vorräte
- Verbindlichkeiten
- Forderungen.
Vorratsmanagement
Die erste Maßnahme betrifft Ihre Vorräte. Diese können durch die folgenden drei Maßnahmen reduziert werden.
- Reduktion der Bestände (ABC-Analyse)
- Produktionsabläufe optimieren (Durchlaufzeit, Transportzeit, Lagerzeit, …)
- Dispositionsprozess optimieren (XYZ-Analyse, optimale Bestellmenge)
ABC-Analyse
„Mithilfe der ABC-Analyse können Objekte (Umsatz, Bestand etc.) nach absteigender Bedeutung eingeteilt werden[3]“. Die Abstufung orientiert sich dabei an der 80/20-Regel. Diese besagt, dass beispielsweise 20 % des Warenbestands 80 % des Wertanteils aller Waren ausmacht. Hieraus ergibt sich die in Tabelle 1 dargestellte Einteilung.

Tabelle 1 ABC-Analyse: Definition der Klassen (Beispiel)
Die Ermittlung der einzelnen Klassen ist sehr einfach und erfolgt in nur drei Schritten.
Schritt 1: Erfassung sämtlicher Waren und deren Wert (s. Tabelle 2).

Tabelle 2 ABC-Analyse: Schritt 1
Schritt 2: Sortierung der Waren vom höchsten zum niedrigsten Wert (s. Tabelle 3).

Tabelle 3 ABC-Analyse: Schritt 2
Schritt 3: Einteilung der jeweiligen Ware in die entsprechende Kategorie (s. Tabelle 4).

Tabelle 4 ABC-Analyse: Schritt 3
Grafisch aufbereitet sieht das dann wie folgt aus (s. Abbildung 5).

Abbildung 4 ABC-Analyse Prozess Brötchen backen
Was lernen wir aus dieser Beispielanalyse? Wir lernen daraus, dass das meiste gebundene Kapital in Mehl und Salz gebunden ist. Die Konsequenz für uns bedeutet, dass wir diese beiden Waren hinsichtlich ihres Verbrauchs genauer beobachten müssen. Denn, je mehr Mehl wir vorhalten, desto mehr Kapital ist gebunden und damit sind wir weniger liquide.
Die Menge des benötigten Mehls und Salzes ergibt sich, wie Sie sicherlich wissen, nicht nur aufgrund des Rezeptes, sondern auch aufgrund des Produktionsablaufes und des Bestellvorganges.
Produktionsabläufe optimieren
Eine erste Einführung hinsichtlich der Optimierung von Produktionsabläufen finden Sie meinen beiden Artikeln
Die 3 Hauptbestandteile Ihres Lösungsversprechens_Produktion_Lieferung und Kundenservice
Der Zusammenhang zwischen Business Model Generation, Geschäftsprozessen und Prozessmanagement
XYZ-Analyse
Damit wir die optimale Bestellmenge ermitteln können, müssen wir uns zunächst jede einzelne Ware hinsichtlich ihres Verbrauchs betrachten. Hierzu bedient man sich der XYZ-Analyse. Diese Analyse dient in der Materialwirtschaft dazu, Waren nach ihrem Verbrauch zu kategorisieren (s. Tabelle 5).

Tabelle 5 XZY-Analyse: Defintion der Kategorien[4]
Kombinieren wir nun die ABC-Analyse mit der XYZ-Analyse, so erhalten wir einen guten Einblick in die eigenen Lagerbestände und können daraufhin die Bestellzyklen entsprechend anpassen (s. Tabelle 6). Das bedeutet, dass wir für sämtliche Materialien (AX, BX und CX), deren Verbrauch planbar ist, eine optimale Bestellmenge ermitteln können. Kritisch betrachtet werden müssen dagegen sämtliche Waren, welche einen mittleren bis hohen Wertanteil, aber nur sporadisch abgerufen werden (AZ, BZ und CZ). Bei diesen Materialien ist man schnell geneigt, zu viel aufs Lager zu legen.

Tabelle 6 Kombination von ABC-Analyse und XYZ-Analyse[5]
Der Einfluss der Lagerhaltungskosten macht sich nicht nur auf unsere Liquidität bemerkbar, sondern auch auf unsere Umsatzrentabilität (s. Tabelle 7). Eine Reduzierung der Lagerhaltungskosten in diesem Beispiel um 1 GE (Geldeinheit) erhöht die Umsatzrentabilität um 33 %!

Tabelle 7 Einfluss der Lagerhaltungskosten auf die Umsatzrentabilität[6]
Debitoren-Management (Forderungen)
Die nächsten Maßnahmen, welche wir uns anschauen sollten, sind:
- Kundenanalyse (Rating, 80/20-Regel)
- Zahlungsmanagement (Zahlungsziele, Zahlungskonditionen)
- Forderungen reduzieren (Mahnwesen, Factoring)
Kundenanalyse
Eine sehr schnelle und einfache Methode, um Ihre Kunden zu Analysieren ist die 80/20-Regel bzw. die bereits erwähnte ABC-Analyse. Erfassen Sie hierzu sämtliche Kunden mit deren Umsätzen. Ergänzen Sie diese Tabelle mit dem Zahlungsverhalten Ihrer Kunden (XYZ-Analyse).
Überlegen Sie nun, mit welchen Kunden Sie zukünftig zusammenarbeiten wollen. Welche Ihrer Kunden möchten Sie zu Stammkunden entwickeln und mit welchen möchten Sie zukünftig nicht mehre zusammenarbeiten. Gerade der letzte Punkt wird bei kleinen Unternehmen ungern umgesetzt.
Sie müssen sich jedoch im Klaren darüber sein, dass wenn Sie weiterhin mit Kunden zusammenarbeiten, die Ihnen zwar einen hohen Umsatz, dafür aber auch jede Menge Zeit, Nerven etc. kosten, Sie in diesem Moment weniger Kunden bedienen können, mit welchen Sie gerne zusammenarbeiten wollen.
Zahlungsmanagement
Passen Sie die Zahlungsziele und Zahlungskonditionen entsprechend der neun Kategorien an. Das heißt, Sie könnten beispielsweise Ihren zuverlässigen Kunden bessere Konditionen gewähren, als für denjenigen, die tendenziell unzuverlässig sind.
Mahnwesen
Passen Sie Ihr Mahnwesen entsprechend, der neun Kategorien an. Auch hier gewähren Sie Ihren Stammkunden unter Umständen mehr Freiraum, als anderen Kunden.
Alternativ könnten Sie sich auch an einen Factoring[7]Anbieter wenden. Dieser wird Ihnen für Ihre Rechnungen einen gewissen Betrag (bis zu 100 %) ausbezahlen und sich um das Einfordern des Betrages kümmern.
Sie erhalten hierdurch umgehend mehr Liquidität. Verzichten aber auf der Gegenseite ggf. auf etwas Umsatz und verlieren wo möglich einen Kunden. Sie sollten diesen Ansatz deshalb gut abwägen. Insbesondere, wenn es sich um Stammkunden handelt.
Aber Sie haben ja Ihre Kundenanalyse gemacht und erkannt, welche Kunden es Wert sind mit Ihnen zusammen zu arbeiten und welche nicht.
Kreditoren-Management (Verbindlichkeiten)
Letzter Punkt auf unserer Liste sind die Verbindlichkeiten.
- Einkauf optimieren (Warengruppen)
- Zahlungskonditionen anpassen
- Rating verbessern (Lieferantenbeziehung)
Warengruppen
Nachdem wir bereits weiter oben mittels ABC-und XYZ-Analyse unsere Warengruppen hinsichtlich ihres Verbrauchs untersucht haben, können wir nun die optimale Bestellmenge berechnen.
Ermittlung der optimalen Bestellmenge

Formel 6 Andler-Formel zur Berechnung der optimalen Bestellmenge[8]
- Q: optimale Bestellmenge in Stück für die jeweilige Bestellung
- F: Jahresbedarf in Mengeneinheiten
- S: Bestellkosten pro Bestellung
- C: Lagerhaltungskostensatz
- P: Kaufpreis pro Mengeneinheit
Und wieder mit Beispiel: Einkauf von Mehl für den Prozess Brötchen backen
- F: 50 kg Mehl pro Tag; 50 kg/Tag x 3650 Tage = 18.250 kg Mehl pro Jahr
- S: 80,00 EUR
- C: 20 %
- P: 0,90 EUR

Die optimale Bestellmenge für unseren Prozess beträgt 4.208 kg Mehl.
Ausgehend von dieser optimalen Bestellmenge sollten sie die jeweiligen Kaufpreise verhandelt. Denn es gilt „Im Einkauf liegt der Gewinn“ (s. Tabelle 8).

Tabelle 8 Einfluss der Materialkosten auf die Umsatzrentabilität[9]
Zahlungskonditionen
Nutzen Sie die ermittelten optimalen Bestellmengen, um neue Zahlungskonditionen mit Ihren Lieferanten zu verhandeln.
Rating
Abhängig von Ihrem Rating bei den Lieferanten werden diese Ihnen einen Lieferantenkredit einräumen (Zahlungsziel). Verhandeln Sie nicht nur die Zahlungskonditionen, sondern fragen Sie direkt nach, wie Sie die Zusammenarbeit verbessern können. Da Ihre Zahlungskonditionen einen direkten Einfluss auf die Lagerhaltung und damit auf den Cash-to-Cash-Zyklus des Lieferanten haben, sollte Ihr Interesse sein, dass Ihr Lieferant von den neuen Bedingungen ebenfalls profitiert. Arbeiten Sie an einem gemeinsamen für beide Seiten zufriedenstellenden Cash-to-Cash-Zyklus. Das heißt, drücken Sie nicht jeden Cent durch, sondern seien Sie an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert (s. Abbildung 5).

Abbildung 5 Unternehmensübergreifender Cash-to-Cash-Zyklus[10]
Fazit
Wie Sie sehen, ist mehr Liquidität nicht kompliziert. Alles was Sie benötigen, haben Sie bereits in Ihrem Unternehmen. Wenn Sie jetzt immer noch der Meinung sind, der Aufwand lohnt sich nicht, dann möchte ich Ihnen sagen, dass Unternehmen nicht bankrott gehen, weil Sie keinen Gewinn machen, sondern weil sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Diese können sie aber nur bezahlen, wenn sie liquide sind. Wenn Sie die in diesem Artikel erwähnten Maßnahmen ergreifen, bin ich mir sicher, dass Sie mehr Liquidität und damit zahlungsfähiger sind. Sie bewahren Ihr Unternehmen damit unter Umständen vor einer Pleite.
Ich hoffe, mir ist es gelungen, Sie für dieses Thema zu gewinnen. Wenn dies sein sollte, dann würde ich mich über einen Like freuen.
Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben, dann schreiben Sie mir diese einfach unten in die Kommentare oder schicken Sie mir eine E-Mail.
[1] Eigene Darstellung in Anlehnung an PWC|Working-Capital-Management
[2] Eigene Darstellung in Anlehnung an Leker (2017)
[5] Eigene Darstellung in Anlehnung an Wikipedia
[6] Eigne Berechnung
[8] Wikipedia|Optimale Bestellmenge
[9] Eigene Berechnung
[10] Hofmann (2011) Wege aus der Working Capital-Falle
3 Gedanken zu “Mehr Liquidität durch logisches Denken und Handeln|Cashflow-Management Teil 1”
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