Businessplan: Das wichtigste Kapitel

Jeder der schon einmal ein Unternehmen gegründet hat, kennt vielfältige Hindernisse auf dem Weg dorthin. Jeder der vor diesem Schritt steht, kann dies nur schwer nachvollziehen. Der angehende Gründer sieht nur das Endresultat, welches er sehen möchte. Diesem „blinden Fleck“ wird mithilfe eines Businessplans versucht entgegenzuwirken. In diesem werden die wesentlichen Aspekte des zukünftigen Unternehmens beleuchtet und so diese dem angehenden Gründer vermittelt. Wer jedoch bereits ein Unternehmen gegründet hat weiß, dass ein Businessplan nur ein Baustein zu einem erfolgreichen Unternehmen ist. Das bedeutet, dass selbst mit einem Businessplan der Erfolg nicht garantiert ist, jedoch die Chancen mit einem erhöht werden[1].

Damit die Chancen auf eine erfolgreiche Gründung erhöht wird, wurden in dem vergangenen Jahrzehnt vielfältige Anstrengungen unternommen. Hierzu zählten unter anderem die Einführung des Lean Startup Modells durch Eric Ries, das Customer Developement Model durch Steven Blank oder die Business Modell Generation durch Alexander Osterwalder. Begleitet wurden diese Modelle und Tools durch die Verbreitung von Inkubatoren und Acceleratoren. Während erster darauf abzielten, dass der Gründer ein besseres Verständnis für sein zukünftiges Unternehmen bekommt, zielten Letztere primär darauf ab, die Risiken eines Investments in Start-ups zu reduzieren. Der Erfolg beider Ansätze kann sich durch aussehen lassen und findet seine Bestätigung durch die immer größere Anzahl an Einhörnern (Unicorns)[2], also jenen Unternehmen, welche eine vorbörsliche Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar aufweisen.

Dieser Erfolg täuscht jedoch im Hinblick auf die deutlich größere Zahl an gegründeten Unternehmen hin, die trotz dieser Methoden nicht erfolgreich waren oder diese Methoden erst gar nicht angewendet hatten, weil nicht bekannt. Während letzteres durch eine immer größere Anzahl an Konferenzen und Veranstaltungen reduziert werden soll, wirft Erstere Fragen nach den Gründen auf.

Um hierfür ein besseres Verständnis zu bekommen, möchte ich an dieser Stelle, auf die zu Beginn beschriebenen Motivationen von Gründern und Investoren verweisen. Während die Motivationen der Gründer vielfältig sind, sind die der Investoren schnell aufgezählt. Für den Investor zählen an erster Stelle Risikominimierung, zweitens die Haltedauer seines Investments und drittens die Höhe des Returns, wobei primäre die Höhe des Returns im Vordergrund steht. Diese Motivationen stehen zum Teil im Gegensatz zu den Motivationen des Gründers. Während sicherlich ein Teil der Gründer sich Chancen auf einen hohen Return erhoffen (was auch vollkommen legitim ist), steht für viele die Lösung eines Problems im Vordergrund. Demgegenüber steht eine große Zahl an Gründern, welche aus der Not herausgegründet hat oder ihr eigener Chef sein wollen.

Das Problem an dieser Stelle entsteht jedoch durch eine Asymmetrie zwischen Investor und Gründer. Diese entsteht dadurch, dass der Investor sehr viele Investments im Laufe seines Lebens tätigt, der Gründer jedoch in den meisten Fällen nur typischerweise ein Unternehmen gründet. Der Gründer kennt sich somit nicht nur nicht mit den Risiken des Gründens und den erforderlichen Schritten eines erfolgreichen Aufbaus seines Unternehmens aus, es fehlen ihm zusätzlich in Hinblick auf eine Übergabe die notwendigen Kenntnisse. Der (erfahrene) Investor hat damit klar die besseren Karten auf der Hand.

Gerade dieser letzte Punkt – der Übergabe – ist es, was aus meiner Sicht den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmacht. Aber warum sollte gerade die Übergabe einen Unterschied ausmachen? Mir war dieser Punkt zunächst ebenfalls nicht ganz klar. Ich stieß jedoch bei meinen Recherchen auf zwei Ansätze, welche diesen Aspekt verdeutlichen.

Auf den ersten Ansatz stieß ich im Zusammenhang mit der Geschichte um IBM. Der frühere Chef von IBM Thomas John Watson beschrieb den Aufbau/Umbau des Unternehmens damit, dass er sich das fertige Unternehmen vorstellte. Er stellte sich vor, wie die Mitarbeiter miteinander kommunizieren, wie sie gekleidet waren, ja, wie sie mit den Kunden umgehen würden. Nur so, laut ihm, war es möglich IBM zu dem machen, was es unter seiner Ägide wurde. Sind also Unternehmer, die diesem Ansatz folgen und folgten erfolgreicher, als Unternehmen, die dies nicht taten? Sie sind es, nach meiner Einschätzung deshalb, weil sie ein klares Bild des fertigen Unternehmens vor Augen hatten und alle ihre Entscheidungen und Tätigkeiten daraufhin ausrichteten.

Dieser Ansatz dürfte jedem Einleuchten, mir wurde jedoch durch das Lesen von Basil Peters‘ und Bo Burlingham’s Büchern klar, dass Stephen R. Covey mit seiner Aussage „Beginne mit dem Ende“ recht hatte[3]. Das Ziel des Unternehmers sollte daher nicht das fertige Unternehmen sein, sondern der Tag, an dem er sein Unternehmen an jemanden anderen übergibt. Und hier schließt sich der Kreis zu den Investoren. Das Ziel der Investoren ist die Übergabe. Alles im Unternehmen wird diesem Ziel untergeordnet. Sie werden folglich alles in ihrer Macht Stehende tun, um dieses Ziel zu erreichen.

Lebenserwartung von Unternehmen

Aber warum sollte sich ein Unternehmer, welcher am Anfang seines Unternehmertums steht, sich Gedanken über eine Übergabestrategie machen? Hier hilf zunächst ein Blick auf die in Abbildung 1, in welcher ich, die oft zitierten Überlebensraten von Unternehmen zusammengefasst habe.

Überlebensrate von unternehmen

Abbildung 1 Überlebensrate von Unternehmen über einen Zeitraum von 100 Jahren.

Während in der Start-up-Welt primär über die ersten 10 Jahre[4] gesprochen wird, spricht man im Bereich der Unternehmensübergabe unter anderem über die Schwierigkeiten zwischen den einzelnen Generationen. Beide Welten sind jedoch nicht voneinander losgelöst. Alles was der Gründer zu Beginn und während seines Unternehmertums macht, hat einen direkten Einfluss auf die Übergabe des Unternehmens[5]. Um es etwas griffiger zu machen. Um ein Unternehmen, welches in die 4. Generation übergeht zu haben, müssen ca. 100 Jahre vorher rund 200 Unternehmen gegründet werden.

„Von rund 200 Unternehmen schafft es nur ein Unternehmen in die 4. Generation.“

Diese Aussage verdeutlicht die Wichtigkeit dieses Thema, welches von Arie de Geus in seinem Buch The Living Company untersucht wurde. De Geus verweist in seinem Buch auf die Analogie zwischen Unternehmen und Lebewesen hin. In diesem Vergleich, so De Geus, schneiden wir jedoch sehr schlecht ab. Nach seiner Definition haben wir eine sehr hohe „Kindersterblichkeit“, sprich sehr viel gegründete Unternehmen scheitern in den Ersten 10 Jahren. Wobei in der Start-up-Welt das Scheitern inzwischen zum guten Ton gehört. Warum dies so ist, werde ich später erläutern. Und auch die Durchschnittlichen Lebenserwartung der Unternehmen ist im Vergleich mit anderen Lebewesen von 40-50 Jahren[6] sehr kurz. Dies ist laut einigen Größen des Silicon-Valleys[7] Resultat der immer schnelleren Entwicklung neuer Technologien. Ist dies wirklich der Fall, oder nehmen wir diese Umstände einfach als gegeben hin, weil wir es nicht besser wissen?

Um auf die zu Beginn des Abschnitts aufgeworfene Frage wieder zurückzukommen. Unternehmen scheitern nicht nur aufgrund von technologischen Änderungen, sondern vor allem, weil sie keine Übergabetrategie haben. Ich bin sogar der festen Überzeugung, dass jemand, der eine Übergabestrategie hat, schneller auf einen technologischen Wandel reagieren kann, als jemand der keine Übergabestrategie hat (was noch zu Beweisen wäre).

Anerkennung und Vermächtnis

Zu Beginn dieses Artikels hatte ich die vielfältigen Motivationen eines Gründers angesprochen. Aus Sicht von Burlingham[8] gibt es nur zwei Arten von Motivation. Erstens Anerkennung für die Leistung und zweitens das sicherstellen, dass das eigene Vermächtnis weiter besteht[9]. Während die Anerkennung für viele durch einen monetären Ausgleich abgegolten werden kann, ist der zweite Punkt, schwieriger umzusetzen. Für beiden Motivationen, benötigte es jedoch einer Übergabetrategie.

Phasenmodell

phasenmodell nach burlingham

Nach Burlingham verläuft das Unternehmertum in drei Phasen (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 Phasenmodell nach Burlingham

Wie bereits eingangs erwähnt, wird der letzten Phase, die Übergabe, in Gründerkreisen aktuell noch zu wenig Beachtung geschenkt[10]. Wobei gerade diese Phase, wie oben beschrieben, für den Gründer von essenzieller Bedeutung ist. Peters verdeutlicht dies mit seiner Aussage, dass ein Gründer nur dann erfolgreich ist, wenn er die Übergabe-(Exit)-Phase erfolgreich gemeistert hat. Hier merkt Burlingham jedoch an, dass die Übergabe nicht mit beispielsweise dem Verkauf des Unternehmens abgeschlossen ist, sondern erst, wenn der Gründer einen Schlussstrich unter sein Vorhaben als Ganzes ziehen kann. Dieser Abschluss so die Erfahrung von Burlingham kann zwischen 2 und 10 Jahren dauern und hängt insbesondere damit zusammen, zu welchem Zeitpunkt sich der Gründer mit diesem Thema auseinandergesetzt hat und ob er sich auf die Zeit danach vorbereitet habt.

Line of Credibility

Sich Gedanken über eine mögliche Übergabe zu machen, befreit den Gründer, indem es ihm ein Ziel in Aussicht stellt. Ziel eines jeden Gründers sollte dabei nicht das nächste Facebook oder Google sein. Sondern, und da orientiere ich mich an Peter Diamandis, seine Glaubwürdigkeit (siehe Abbildung 3) ein Unternehmen erfolgreich zu gründen und zum Abschluss zu bringen, durch jedes neu gegründete Unternehmen zu erhöhen. Nicht umsonst haben Seriengründer leichteren Zugang zu Kapital und anderen Ressourcen, um ihr nächstes Unternehmen zu gründen, denn sie durchlaufen den oben beschriebenen Zyklus (siehe Abbildung 2). Und wie wir alle wissen, je öfter wir etwas machen, desto routinierter und damit besser werden wir darin.

Um diesen Aspekt deutlicher zu machen, möchte ich den Vergleich zu einer Ausbildung zum Arzt oder Anwalt nehmen. Wir wissen, dass wenn wir einen dieser Beruf ergreifen wollen, dass wir dann Jahre in die Ausbildung stecken müssen, bevor wir erfolgreich darin sind. Wir haben diese Erwartungshaltung jedoch nicht beim Unternehmertum und wundern uns, dass so viele Gründer scheitern.

line of credibility

Abbildung 3 Line of Credibilty[11]

Kein Unternehmen! Keine Nachfolge!

Je früher der Gründer sich folglich mit diesem Thema (Übergabestrategien) beschäftigt, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass er ein erfolgreiches Unternehmen aufbaut und dieses auch erfolgreich übergeben kann. Nur wer ein erfolgreiches, im Sinne eines gesunden Unternehmens aufbaut, stellt sicher, dass sich jemand für die Übernahme interessiert. Und nur wer Interessenten für sein Unternehmen hat, ermöglicht eine erfolgreiche Übergabe[12]. Diese Übergabe spielt insbesondere in Familienunternehmen (Abbildung 4) eine wichtige Rolle. Nur eine erfolgreiche Übergabe eines gesunden Unternehmens stellt sicher, dass die Familie unterstützt wird und umgekehrt, dass die Familie das Unternehmen ihrerseits unterstützt.

Eine Gründung und vor allem eine Übergabe ist demzufolge nicht nur eine Angelegenheit des Gründers, sondern betrifft viele andere Personengruppen wie beispielsweise Familie, Mitarbeiter, Investoren, Kunden oder Lieferanten.

zusammenhang_unternehmen-Übergabe und familie

Abbildung 4 Zusammenhang zwischen Unternehmen, Übergabe und Familie.

Chief Succession Officer

Damit eine Übergabe erfolgreich vonstattengehen kann, muss dieser Punkt bereits zu Beginn des Unternehmertums mit bedacht werden. Selbst wenn keine tatsächliche Übergabe in naher Zukunft angestrebt wird, hilft die Ausrichtung auf diesen, das eigene Unternehmen besser zu positionieren[13].

Hier bietet es sich an, dass der Gründer in seinem Businessplan diesem ein eigenes Kapitel widmet. Dies sieht zunächst kontraproduktiv aus. Allerdings nur auf den ersten Blick. Jeder potenzielle Investor möchte, wie bereits geschrieben, nicht nur wissen, ob und wie das Unternehmen erfolgreich sein wird, er möchte auch wissen, wann er sein Geld wiederbekommt. Und hier hilft ein Kapitel über mögliche Übergabestrategien enorm.

Aber nicht nur Investoren kommen als mögliche Übergabestrategie in Frage. Eine Übergabe kann innerhalb der Familie, an die eigenen Mitarbeiter oder beispielsweise an das Management erfolgen. Letztlich sind alle potenziellen Interessenten nur an einem gesunden Unternehmen interessiert. Was ein gesundes Unternehmen ausmacht, werde ich, in einem der nächsten Artikel beschreibe.

Neben diesen Aspekten spielt auch die mit der Umsetzung einer möglichen Übergabestrategie verbundenen Aufgaben eine wichtige Rolle. Burlingham[14] macht deutlich, dass die Umsetzung nicht durch den Gründer durchgeführt werden sollte. In diesem Zusammenhang macht es folglich Sinn, eine Person des Vertrauens mit dieser Aufgabe zu betreuen. Dieser Chief Succession Officer[15] kümmert sich in enger Abstimmung mit dem Gründer um eine mögliche Übergabestrategie und setzt dies zum entsprechenden Zeitpunkt um.

Halten Sie es auch für wichtig, dass dieses Thema bereits Bestandteil des Businessplans werden sollte? Schreiben Sie mir Ihre Meinung unten in die Kommentare. Ich bin gespannt auf Ihre Begründung.

[1] Brinckmann (2010)

[2] Oder ist diese wachsende Anzahl an Einhörner, auf die Geldschwemme durch die Zentralbanken zurückzuführen?

[3] Zwar bezieht sich Covey auf den Zeitpunkt unseres Abschieds von der Erde. Diesen Gedanken können wir jedoch auch auf das Unternehmertum übertragen.

[4] Der typische Venture Kapitalist oder Business Angel kann im Bereich zwischen 3 bis 15 Jahren eingeordnet werden.

[5] Burlingham (2014) Finish Big

[6] Im Jahr 1983 – Laut Arie de Geus (1997) The Living Company

[7] Die Lebenserwartung laut Samil Ismail sank auf 15 Jahre im Jahr 2013.

[8] So meine Interpretation

[9] Burlingham (2014) Finish Big

[10] Es sei denn, das Unternehmen wurde durch VCs und BAs finanziell unterstützt.

[11] Peter Diamandis

[12] Burlingham (2014) Finish Big

[13] Burlingham (2014) Finish Big

[14] Burlingham (2014) Finish Big

[15] In größeren Unternehmen kümmert sich das Board of Directors um diese Angelegenheit.

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